Im Weltnaturerbe der Walvis Bay Lagune kehrt die Zugangst ein.
Zigtausende verschiedenster Wattvögel ziehen eilig und offensichtlich immer noch hungrig Würmer aus dem Boden, picken kleine Mollusken auf, schieben ihre langen Schnäbel, manche nach oben, andere nach unten gekrümmt, tief in den schwarzen fruchtbaren Schlamm. Sie brauchen Energie, reichen Fettreserven an, bevor sich der Magen verkleinert und der Körper auf dem langen Flug lediglich vom Speicherfett zehrt.
Fast täglich alarmiert mich die schon fast lästige Birding-WhatsApp-Gruppe wegen überdimensionaler Knutt-Ansammlungen, größerer Gruppen des Terekwasserläufers, wunderbarer Hochzeitkleider der Pfuhlschnepfen, Sichelstrandläufer, Kiebitzregenpfeifer, Sanderlinge und Steinwälzer. Als dann vor kurzem Wüstenregepfeifer dauernd Meldung machten, musste ich nach meiner letzten Safari doch noch vor der aufgehäuften Büroarbeit eben mal „kurz an die Lagune“, wie ich es Lisa nebenbei erklärte. Meine Frau kennt das schon, weiß, dass es länger dauert und hält mir dann den ganzen Tag den Rücken frei.
So richtig freuen kann ich mich jedoch nicht, dazu bin ich einfach nicht mehr blau- sondern inzwischen eher grau-…äugig genug.
Tausende Flamingos baden, pumpen, fressen und schnattern vor mir, die sollten aber schon längst im Inland sein. Da es aber mal wieder fast gar nicht regnete und sich in Namibia wiederholt eine Dürre ankündigt… wann hört das mit den Dürren eigentlich endlich mal auf?… sind die Pfannen trocken und jeder Flamingo muß an der Küste bleiben; kann also 2024 kein Türmchen bauen und ein Ei dort oben drauf, fast schon im stehen, ausbrüten.
Auch mach ich mir große Sorgen um den Zug, der langen Reise, dieser Vögel vor mir. Ein großartiger Naturforscher Namibias meinte korrekt: „We as Humans are fucking up the Planet at an alarming speed and we are doing a pretty good job covering it up“. Etliche Lagunen, Wattgebiete und wichtige Nahrungstankstellen der Zugvögel sind schon trockengelegt, vermüllt oder man hat seltene Erden dort gefunden.
Mit den einheimischen Politikern wird dann „auf Augenhöhe“ ein Vertrag zur Ausbeutung geschlossen und nach einer sehr „naturfreundlichen Machbarkeitsstudie“ geht ein weiterer Lebensraum verloren… Wachstum kostet eben. Ich hoffe der Zynismus im letzten Satz war deutlich!
Tatsache ist, dass diese Vögel in der Tat Zugangst haben dürfen, denn dieses Wort hat inzwischen mehr als an Bedeutung gewonnen. Ich frage mich, ob meine Kinder irgendwann hier stehen dürfen und dieses Naturschauspiel so erleben werden… eher nicht.
Es sammeln sich plötzlich sehr viele Touristen neben mir und einige protzige Allradfahrzeuge reihen sich auf, diese nach Abenteuer hungrigen Leute mit Gebrumm und Geschrei durch die Dünen zu „jagen“ um letztendlich die wunderbare Aussicht von Dünen und Meer am Sandwich Harbour zu bestaunen.
Ich schnappe mir mein Spektiv, meine Kamera und wate auf die Lagune, schnell weg von hier… es ist Ebbe und es ist Leben über mir, die Hartlaubmöwen beschweren sich; unter mir, die Wattwürmer wundern sich meines schweren Fußabdrucks; hinter mir, es wird touristisch gelacht, gegröllt und gealbert; und vor mir eine gefühlte Milliardenschar verschiedenster Vögel.
Irgendwann kehrt Ruhe ein und ich kann in der Ferne nur noch das industrielle Hämmern und dampfen vom Hafen her hören, welches durch den stetig wachsenden Hunger nach Energie und Erzen erzeugt wird. Dank des westlichen und fern-östlichen Bedarfs darf auch Namibia in Zukunft reich sein, wir freuen uns schon, oder warte mal… vielleicht doch nicht?
Schaut man durch das Spektiv und „scannt“ langsam die flachen Ufer, springen einem die Farben förmlich ins Gesicht. Die Zugvögel ziehen sich ihre Hochzeitskleider an, meinte mein Kollege Daine neulich.
Ich freue mich, denn der Wüstenregenpfeifer tippelt vor mir durch den Schlamm und fängt kleines Getier im Sande. Schade, dass er nicht im Brutkleid ist, vielleicht ist es auch eine sie… egal. Der Seltenheit wegen interessant, obwohl so unscheinbar, trotzdem irgendwie geil. (Übrigens hat sich dann herausgestellt, dass ich ein weibliches Tier im Brutkleid vor mir hatte, ein Hoch auf Photoshop)
Terekwasserläufer lassen sich gut ablichten und ich staune über diese supergelben Beine und diesen „Bootschnabel“, der wohl sehr praktisch ist, denn die Wasserläufer pressen ihren Schnabel förmlich bis zum Ansatz in den Schlamm. Nice.
Immer, wenn ein Kiebitzregenpfeifer vorbei fliegt, hoffe ich auf seltene Prärie-Goldregenpfeifer, aber diese haben keine „German-Armpits“. In der Tat deuten die dunklen Punkte unter den Flügeln auf unrasierte Achselhöhlen einiger „germans“ und so entstand ein weiterer lustiger Orni-Ausdruck… sorry dafür, ich weiß es ist unfair.
Sie sind wunderschön grad, die Männer der Kiebitzregenpfeifer, und modern, denn schwarz-weiß-grau geht immer und kommt gut an.
Flamingos fotografiere ich heute kontrolliert weniger, wüsste auch nicht welchen von den 120 000+ ich nun auf die Festplatte bringen sollte… beide Arten, Zwerg- und Rosaflamingo sind heute auf Tuchfühlung zu beobachten.
Blöd ist meine neue Brille, Gleitsichtstrafe, denn es ist neblig und das Ding wird trotzdem dunkel, leider ist auch der Schlamm dunkel… man, das mit dem älter werden wird jetzt lästig.
Ich klappe dann mein Stativ zusammen und gehe heim, allein, denn offensichtlich ist kein anderer so blöd und schaut sich schöne Vögel an. Und wundere mich, ob diese Touristen nun schon wegen dem ganzen Auf und Ab in den Dünen den Hintersitz vollgekotzt haben oder ob sie schon über die phantastische Natur am Sandwich Harbour mit Gin Tonic in der Hand staunen dürfen… sie wollten ja was natürliches erleben 😉
Man grübelt als Safarianbieter, denn vielleicht sollte ich eher sowas anbieten, denn es ist ja offensichtlich was „die Leute“ wollen.
Der Sieger bin heute dennoch ich, denn ich hatte die phantastische Natur und zahlreiche Beobachtungen ganz für mich allein, die zeig ich dann meinen Gästen, gern! Im September ist wieder eine Birdingtour geplant… ausgebucht, kann ich verstehen, birden macht Lebensinhalt, it’s as easy as that. Wer gepennt hat bucht halt nächstes Jahr.
Mir ist bewusst, dass dies heute ein Abschied ist, lebt wohl und fliegt gut ihr Hübschen… aber im August-September fliegen oder kehren viele wieder heim, denn auch wenn hier nicht gebrütet wird, ist Afrika immer Heimat, für jedermann… und frau.
bis auf bald in Afrika, albert
Zuletzt aktualisiert am 29. Oktober 2024 durch maike